Lindenhof
Zugegeben bis auf den Lindenhof hinauf fährt dich kein Tram, aber bereits der Weg dorthin lohnt sich. Von den Tramhaltestellen Rennweg oder Rudolf-Brun-Brücke führen dich schmale, gepflasterte Wege durch die bunte Zürcher Altstadt auf den kleinen Hügel, auf dem die älteste öffentliche Grünanlage Zürichs liegt. Der Aufstieg zum Lindenhof dauert etwa fünf bis zehn Minuten. Oben angekommen wirkt der Park auf den ersten Blick – besonders im Winter, wenn die fünfundfünfzig Lindenbäume kahl in den Himmel ragen – nicht sonderlich beeindruckend. Vor dir liegt eine grosse, ziemlich karg besetzte Kiesfläche. Bei näherer Betrachtung erkennst du jedoch schnell die kleinen Details, die den Lindenhof ausmachen. In einer Ecke grübelt eine Gruppe Männer über ein Schachspiel, ein wenig weiter kichert ein kleines Kind in seiner Schaukel und in einer Ecke treffen sich einige Senioren auf eine Partie Petanque. Es gibt hier weder Gehetzte, noch Gedränge, noch Lärm – eine richtige Wohltat im hektischen, städtischen Alltag.
Im Sommer spenden die Lindenbäume einen angenehmen, natürlichen Schatten. Man trifft sich auf dem Lindenhof auf ein Mittagessen aus selbst mitgebrachten Behältern oder am Abend auf ein ebenfalls selbst besorgtes Bier, diskutiert, lacht oder geniesst einfach die Ruhe. Das grösste Highlight des Lindenhofs bildet jedoch die Aussicht. Von hier oben hast du einen grossartigen Blick hinunter auf die strömende Limmat und die malerische Altstadt Zürichs inklusive Grossmünster und Rathaus an der gegenüberliegenden Uferseite. Die alte Mauer am östlichen Ende des Platzes – der beste Aussichtspunkt – ist daher bei Sonnenschein ununterbrochen besetzt.
Der Klugscheisser: Über die Geschichte des Lindenhofs könnte ich seitenweise referieren, ich werde jedoch versuchen, mich kurz zu halten. Durch seine erhöhte Lage bietet sich der Lindenhof geradezu als Siedlungsort an. Dies erkannten die Kelten bereits um 80 vor Christus und liessen sich hier nieder. Circa ab 15 vor Christus wurde der Lindenhof durch das römische Militär kontrolliert und besiedelt. Die Römer waren es auch, die im 4. Jahrhundert nach Christus ein Kastell bauten, dessen Mauern inklusive zehn Türmen den gesamten Lindenhof umzogen. 500 Jahre später errichtete der Enkel von Karl dem Grossen aus den Steinen des inzwischen abgerissenen römischen Kastells eine französische Pfalz. Die königliche Residenz diente als Quartier für die umherreisende Königsfamilie und ihr Gefolge. Sie fand ihren Niedergang nachdem Zürich im Jahr 1218 zur freien Rechtsstadt wurde.
Im Jahr 1422 wurde der Park zum ersten Mal der Bevölkerung zugänglich gemacht und wurde dadurch zur ersten und einzigen öffentlichen Grünanlage innerhalb der Stadt Zürich. Die Anlage diente bereits damals, wie auch heute noch oft, als Festplatz und Vergnügungsort. Hier wurde getrunken, mit der Armbrust geschossen, Schach gespielt und gekegelt. Zudem diente der Lindenhof als Ort für politische Versammlungen und Kundgebungen.
Zum Schluss eine kurze Anekdote: Im Jahr 1292 wurde die Stadt Zürich vom Herzogtum Österreich belagert. Die Zürcher Männer waren zum selben Zeitpunkt zum Kampf ausgezogen und die Frauen und Kinder daher wehrlos dem Angreifer ausgeliefert. Wäre da nicht die kluge Hedwig ab Burghalden gewesen. Sie animierte die Frauen dazu, sich zur Abschreckung des Feindes in Rüstungen auf die Mauern des Lindenhofs zu stellen. Gesagt, getan. Und siehe da, die Österreicher liessen sich täuschen und zogen von dannen. So lautet zumindest die Sage. Seit 1668 kannst du die behelmte Anführerin als Statue auf dem Brunnen des Lindenhofs bewundern.
Übrigens: «Lindenhof» wird nicht nur die Grünanlage, sondern auch das sie umgebende Quartier genannt. Das Quartier Lindenhof erstreckt sich der Limmat entlang vom Hauptbahnhof bis zum Zürichsee und ist mit 230’000 Quadratmetern das kleinste Quartier der Stadt Zürich.
Liselotte – die Kultur-Expertin: Jedes Jahr versammeln sich am 30. April um Mitternacht die Zürcher Singstudenten auf dem Lindenhof, um den Monat Mai zu begrüssen. Das Maisingen geht auf einen Brauch im Jahre 1879 zurück und ist noch heute der Höhepunkt im Frühjahrssemester des Studentengesangvereins Zürich. Und gleich noch ein Übrigens: Auf dem Lindenhof waren bereits bekannte Persönlichkeiten wie Goethe, Richard Wagner oder Johannes Brahms zu Besuch.
Tags: Klugscheisser, Liselotte
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